ANDREAS SIEMONEIT

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Nautisches Lexikon - Was bedeutet Navigation?

Vavigation ist die Wissenschaft und Handwerkskunst von der Aufgabe,
ein Schiff sicher, zügig und effizient an sein Ziel zu bringen.
 

So könnte eine Definition von Navigation lauten.

Navigation erfordert ebenso Theoriewissen wie handwerkliches Geschick. Sie bedeutet zum einen die Anwendung vorgegebener, ausgeklügelter Methoden, zum anderen müssen die Ergebnisse oft interpretiert werden, mit Erfahrung und Intuition. Und es geht nicht nur darum, ein Schiff sicher an sein Ziel zu bringen, sondern auch innerhalb einer angemessenen Zeit, und das mit angemessenem navigatorischem Aufwand (das gilt nicht nur für den gewerblichen Bereich).

Navigation läßt sich im Kern auf zwei Grundfragen zurückführen: Momentaner Ort und zukünftiger Kurs. Diese beiden Größen sind es, die wir benötigen, um das Schiff schnell und sicher an sein Ziel zu bringen. Ort und Kurs haben einige spezielle Eigenschaften, zumindest in einer etwas idealisierten Seglerwelt:

Was bedeutet das für den Fahrtensegler und die Fahrtenseglerin?

An dem klassischen Ablauf "Beobachteter Ort, Folge von (zunehmend unsichereren) Koppelorten, neuer beobachteter Ort" hat sich seit ewigen Zeiten nichts geändert.  Zwischen zwei beobachteten Orten können allerdings bei einer Atlantiküberquerung Hunderte von Seemeilen liegen oder nur wenige Meter bei der komplizierten Ansteuerung einer von Felsen gespickten Ankerbucht oder eines Schärenfahrwassers.

Tieferer Grund hierfür sind die Tatsachen, daß ...

Zum Glück ist das Wasser meist weder über der Oberfläche noch darunter so vollgestellt wie das, was der durchschnittliche Autofahrer bei der abendlichen Parkplatzsuche vorfindet. Autofahren entspricht dem permanenten Manövrieren in einem Meeresgebiet voller Unterwasserklippen. Wenn man hier nicht soviel sehen würde oder keine Bremsen hätte, wäre die Sache mit dem Autofahren sicherlich eine andere ...

Aber wir haben doch GPS ...

Die Einführung von GPS hat zwar die Navigation revolutioniert, aber an den Grundprinzipien nichts geändert. Während GPS im Fall der Atlantiküberquerung hilfreich ist, ist es im Fall der komplizierten Ansteuerung sinnlos. Die Revolution besteht im wesentlichen darin, daß in Situationen, in denen die klassische Navigation nur noch wenig anzubieten hat (Überfahrten, Nacht, Nebel, Sturm, ...), nun eine akkurate, recht verläßliche Informationsquelle für den Standort zur Verfügung steht. Die klassische Navigation besteht jedoch weiterhin, und nur wer verstanden hat, worum es geht, und in der Lage ist, schnell zwischen Seekarte und Landschaft hin und her zu übersetzen, wird auf Dauer sein Schiff sicher durchs Wasser steuern. Wer die Fragen nicht versteht, kann auch mit den Antworten einer Elektronikbox nichts anfangen. GPS erweitert die Möglichkeiten eines guten Navigators, macht aber einen schlechten Navigator nicht zu einem guten.

GPS löst nicht nur viele Probleme, es schafft auch welche, denn es fördert mehrere sicherheitskritische Tendenzen:

Man muß nicht immer seine Position genau wissen. Oft interessiert es uns nicht, wo wir gerade genau sind, sondern ob wir da, wo wir sind, fern aller Gefahren sind und mit dem geeigneten Kurs gut vorankommen. Man muß aber, wenn es darauf ankommt, stets in der Lage sein, die Position zu ermitteln, und zwar schnell und ohne Unsicherheiten -- und dies muß man sehr kritisch beurteilen, man darf sich nicht selbst betrügen. Aber man muß die schöne Segelzeit nicht ausschließlich mit Navigation verbringen. Wer das macht, der offenbart lediglich seine Unsicherheit. Navigation sollte mit einem Minimum an zeitlichem Aufwand erfolgen, und ein guter Navigator kann das auch gut einschätzen.

Navigation findet an Deck und unter Deck statt. Wer sich unter Deck in die Karten und Geräte vertieft und den Kontakt zur Realität verliert, der bemerkt nicht mögliche Fehler seiner Navigation, die sich durch einen simplen Rundumblick an Deck klären ließen. Gerade in Landnähe ist der Navigator viel öfter an Deck gefordert als unter Deck, und Länge und Breite haben wenig Bedeutung. Fernab der Küsten hat man in der Regel viel Zeit, auch unter Deck seine navigatorischen Aufgaben zu erledigen, und genau hier ist auch GPS hilfreich. 

GPS ist zwar hochgenau, aber es liefert nur ein Bild der Realität, nicht die Realität selbst. Die ist draußen, mit Wind und Wellen, Strömungen, Felsen und Sandbänken. Die Information, die GPS liefert, kann nicht besser sein als unser Kartenmaterial und weitere Informationen wie Wasserstände und Strömungsgeschwindigkeiten. Diese gehen aber oft von idealisierten und gemittelten Bedingungen aus. Navigation ist immer auch die Verwaltung des Mangels und der Überraschungen, und insofern besteht eine wesentliche Aufgabe darin, mit den unvermeidlichen Unsicherheiten und Ungenauigkeiten sicher umgehen können. GPS ist nur ein Glied in der Kette, und nicht automatisch das stärkste.

Und zu guter Letzt: Navigation hat schon immer mehrere Quellen parallel genutzt und sich anhand redundanter Informationen nach allen Seiten immer wieder abgesichert. Wer diese Vielseitigkeit vernachlässigt, der kann seine Handlungen nicht mehr überprüfen und läuft Gefahr, sich auf die eine falsche Information zu verlassen, die die eine Quelle nun mal leider geliefert hat. Oder steht im Regen, weil diese eine Quelle ihn leider völlig im Stich läßt.

Also: Lernt gefälligst, ohne GPS zu navigieren. Dann könnt Ihr es auch sinnvoll nutzen. Ich nutze GPS auch sehr gerne. Aber nur, wenn ich mit den klassischen Werkzeugen nicht mehr weiterkomme, oder als zusätzliche Informationsquelle.