ANDREAS SIEMONEIT

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Nautisches Lexikon - Logge kalibrieren

Vom theoretischen Standpunkt her ist dieses Thema recht interessant, weil es gar nicht so einfach aufzudröseln ist. Praktisch wird es die meisten Fahrtensegler nicht groß interessieren, sie sind froh, wenn die Logge was anzeigt, und gut ist. Aber um eine Logge richtig nutzen zu können, muss sie kalibriert sein, d. h. sie soll nach einer Distanz durchs Wasser von 1,00 sm auch 1,00 sm anzeigen und nicht 0,93 oder 1,18. Man muss also einen Korrekturfaktor K ermitteln, mit dem die angezeigten Werte der Logge multipliziert werden müssen. Bei elektronischen Loggen kann man diesen Korrekturfaktor auch eingeben und erhält direkt die korrigierten Werte auf dem Display angezeigt.

Man muss dabei drei verschiedene Distanz-Definitionen auseinanderhalten:

Anmerkung: Statt "kalibrieren" sagen viele auch "eichen". Technisch gesehen ist das das Gleiche, aber offiziell dürfen nur die Eichämter als staatliche Institution eichen (mit Plakette), alle anderen dürfen nur kalibrieren.

Die Standardantwort

Die allgemeine Formel für den Korrekturfaktor K lautet

K = Distanz durchs Wasser / Loggedistanz

Zeigt die Logge zu hoch an, ist K kleiner als Eins, sonst größer. Das Problem dabei ist, dass sich die Katze in den Schwanz beißt: Um die Distanz durchs Wasser (oder auch die Fahrt durchs Wasser) zu ermitteln, braucht man bereits eine kalibrierte Logge ...

Wie kommt man weiter? Man kann eine bekannte Strecke abfahren, z. B. eine extra zu diesem Zweck vermessene "Testmeile", die sich meist zwischen zwei Richtlinien oder genau zu bestimmenden Punkten befindet ("Meilenfahrt"), es geht aber auch mit jeder anderen genau vermessenen Strecke (zwei feste Seezeichen o. ä.). Man nähert also die Distanz durchs Wasser durch die Distanz über Grund. Der Korrekturfaktor K berechnet sich dann gemäß

K Distanz über Grund / Loggedistanz

Diese Näherung ist so lange gut, solange die DdW und die DüG fast gleich sind. Oder anders gesprochen: Proportional zur Differenz der beiden wächst der Fehler des Korrekturfaktors. Ist die DdW z. B. 5 % länger oder kürzer als die DüG, liegt der Korrekturfaktor um eben diese 5 % daneben. Und da man es in der Regel mit Faktoren zwischen 0,90 und 1,10 zu tun hat (also Loggen, die um bis zu 10 % zu schnell oder zu langsam gehen), reicht das schnell für völlig unbrauchbare Ergebnisse: Wenn der Korrekturfaktor in Wirklichkeit 1,07 beträgt, wir aber (bei z. B. 5 % Fehler) fälschlich 1,02 ermitteln, können wir uns die Mühe sparen.

Die eigentlich interessante Frage ist nun, wie man also diesen Korrekturfaktor ermittelt, wenn Strom auf der Testmeile nicht auszuschließen ist, was in Gezeitenrevieren die Regel und auch sonst leicht möglich ist (Oberflächenströmung durch Wind o. ä.). Würde man den Strom ignorieren, wäre die Distanz durchs Wasser eben größer (Gegenstrom) oder kleiner (Mitstrom) als die eigentlich vermessene Testmeile. Der Fehler von K wächst mit der Stromgeschwindigkeit.

Der gängige Vorschlag lautet in diesem Fall, die Testmeile zweimal abzufahren, einmal mit dem Strom und einmal gegen den Strom (also hin und zurück in einer Zeitspanne, in der sich die Stromstärke nicht wesentlich ändert). Die Begründung ist, dass die DdW in der einen Richtung zwar größer als die DüG, aber in der Gegenrichtung entsprechend kleiner ist. In Summe wäre dann doch wieder DdW = DüG. Damit würde sich der Einfluss des Stroms herausmitteln, und unser Korrekturfaktor wäre korrekt ermittelt. Die Formel lautet also für unsere erweiterte Meilenfahrt etwas allgemeiner:

K (Distanz über Grund hin und zurück) / (Loggedistanz hin und zurück)

bzw. (die Distanz über Grund ist ja hin und zurück gleich)

K (2 x Distanz über Grund) / (Loggedistanz hin und zurück)

Das Problem

Der bekannte Autor Bobby Schenk hatte folgende Frage in der YACHT (Ausgabe 10/2004) gestellt:

"Nebenbei: Ein halbes Leben lang irritiert mich dabei ein Gedankenspiel, für das ich den Leser um Aufklärung bitte. Irgendwas an der Methodik kann nicht stimmen. Denn wenn die Schiffsgeschwindigkeit 6 Knoten beträgt und der Strom ebenfalls diesen erheblichen Wert erreichen würde, wie geht dann die Meilenfahrt auf?"

Gar nicht. Auf Gegenstromfahrt kommt man nie am Ziel an (Fahrt über Grund = 0), die Meilenfahrt dauert unendlich lange, und unseren Korrekturfaktor können wir in die Tonne treten. Wo liegt der Hase im Pfeffer?

Die erweiterte Antwort

Die erweiterte Antwort lautet: Die Formel für die erweiterte Meilenfahrt ist auch nur eine Näherung, die ihre Grenzen hat. Die Stromstärke darf auch hier nur einen Bruchteil der Fahrt des Schiffes betragen. Beträgt die Stromgeschwindigkeit 10 % der Fahrt, dann ist K nur um 1 % verfälscht, bei 20 % sind es schon 4 % und dann klettern die Zahlen rapide weiter (für 100 % Stromgeschwindigkeit ins Unendliche). Dennoch ist sie eine viel bessere Näherung als bei der einfachen Meilenfahrt, wie das folgende Diagramm zeigt:

Anmerkung: Der Fehler der einfachen Meilenfahrt entwickelt sich unterschiedlich, je nachdem ob man mit dem oder gegen den Strom fährt. Deshalb ist hier nur der Anfang angedeutet.

Um die Grenzen der erweiterten Formel zu erläutern, muss man etwas weiter ausholen, wie das ja oft beim Segeln der Fall ist (das sind ja auch immer die Fälle, wo sich Gerüchte und Halbwahrheiten lange halten).

Das Problem ist, dass zwar die Fahrt des Schiffes über Grund linear mit der Stromstärke steigt oder fällt, nicht aber die Distanz durchs Wasser. Wäre dies der Fall, dann könnte man den Trick mit dem Hin- und Zurückfahren tatsächlich unabhängig vom herrschenden Strom durchführen, weil sich dann die Einflüsse von Gegenstrom und Mitstrom aufheben. Aber leider dauert die Gegenstromfahrt immer etwas länger als die Mitstromfahrt kürzer dauert, damit hat der Gegenstrom länger die Möglichkeit der verzögernden Einflussnahme (das kann man im Beispiel weiter unten gut erkennen). Die Dauer der Fahrt ist entscheidend, nicht die Fahrt des Schiffes.

Man könnte nun auf die Idee kommen und sagen: Na gut, dann muß man einfach dafür sorgen, daß die Gegenstromfahrt genau so viel länger dauert wie die Mitstromfahrt kürzer dauert. Im Prinzip richtig, aber genauso wie oben beißt sich die Katze wieder in den Schwanz: Um die Dauern aufeinander abzustimmen, müßte man bereits die Fahrt über Grund von der Fahrt durchs Wasser rechnerisch trennen können, und dafür bräuchte man eine kalibrierte Logge ... Aber in der Praxis kann man das natürlich anstreben, bereits einigermaßen angeglichene Fahrtzeiten sind besser als nichts. Auf der Gegenstromstrecke also etwas mehr Gas geben.

Beispiel

Manches wird klarer mit einem Beispiel: Betrachten wir mal ein Schiff auf Meilenfahrt bei verschiedenen Stromgeschwindigkeiten. Der Skipper will den Korrekturfaktor messen. Die Teststrecke sei eine Seemeile hin und eine zurück, also 2 sm insgesamt.

Folgende Daten kennt der Skipper nicht oder zumindest nicht genau (seine Logge geht ja nicht richtig!). Wir müssen sie aber wissen, sonst können wir das Beispiel nicht rechnen:

Wir benutzen diese Information, um "zu simulieren", was der Skipper auf seiner Logge sieht. Um diese simulierte Loggedistanz zu berechnen, müssen wir die echten DdW-Werte natürlich durch den Korrekturfaktor teilen (und nicht multiplizieren), wir rechnen ja "rückwärts".

0 kn Strom

Fahrt durchs Wasser = Fahrt über Grund = 6 kn.
Dauer der Fahrt (eine Strecke): 1/6 h = 10 min.

Distanz durchs Wasser hin:  1,00 sm
Distanz durchs Wasser zurück: 1,00 sm
Loggedistanz hin: 1,00 sm / 1,11 = 0,90 sm
Loggedistanz zurück: 1,00 sm / 1,11 = 0,90 sm

Korrekturfaktor K = 2 / 1,80 =  1,11

Hier kommt also alles sehr schön heraus, das war aber auch zu erwarten ohne Strom.

0,5 kn Strom

Die Fahrt über Grund wird hin auf 5,5 kn verringert, zurück auf 6,5 kn erhöht. Was aber passiert mit der DdW? Hier müssen wir einen Zwischenschritt über die Dauer der Fahrt einbauen: Hin 1 sm bei 5,5 kn = 1/5,5 h = 10,9 min, zurück 1 sm bei 6,5 kn = 1/6,5 h = 9,2 min. Diese Zeiten muß man mit der Fahrt durchs Wasser von weiterhin 6 kn multiplizieren.

Distanz durchs Wasser hin: 6/5,5 sm = 1,09 sm
Distanz durchs Wasser zurück: 6/6,5 sm = 0,92 sm
Loggedistanz hin: 1,09 sm / 1,11 = 0,98 sm
Loggedistanz zurück: 0,92 sm / 1,11 = 0,83 sm

Korrekturfaktor K = 2 / 1,81 = 1,10

Hier sieht man schon den geringen Einfluss des Stroms. Die DdW hin ist 0,09 sm weiter, die DdW zurück 0,08 sm kürzer. Die Differenz ist allerdings winzig und rechtfertigt die Grundidee der erweiterten Meilenfahrt, dass Hin und Zurück sich aufhebt. Das Ergebnis ist völlig akzeptabel von der Genauigkeit her.

1 kn Strom

Die Fahrt über Grund wird hin auf 5 kn verringert, zurück auf 7 kn erhöht.
Dauer: Hin 1 sm bei 5 kn = 1/5 h = 12 min, zurück 1 sm bei 7 kn = 1/7 h = 8,6 min.
FdW: Weiterhin 6 kn.

Distanz durchs Wasser hin: 6/5 sm = 1,20 sm
Distanz durchs Wasser zurück: 6/7 sm = 0,86 sm
Loggedistanz hin: 1,20 sm / 1,11 = 1,08 sm
Loggedistanz zurück: 0,86 sm / 1,11 = 0,77 sm

Korrekturfaktor K = 2 / 1,85 = 1,08

Die DdW hin ist 0,20 sm weiter, die DdW zurück aber nur 0,16 sm kürzer: Die Differenz wächst, der Mitstrom kann die längere Gegenstromfahrt nicht mehr ganz ausgleichen. Das Ergebnis sagt dem Skipper, dass seine Logge zu schnell geht, aber um 8 % anstatt (korrekt) um 11 %. Damit ist dieses Ergebnis je nach Geschmack gerade noch oder gerade nicht mehr akzeptabel.

2 kn Strom

Die Fahrt über Grund wird hin auf 4 kn verringert, zurück auf 8 kn erhöht.
Dauer: Hin 1 sm bei 4 kn = 1/4 h = 15 min, zurück 1 sm bei 8 kn = 1/8 h = 7,5 min.
FdW: Weiterhin 6 kn.

Distanz durchs Wasser hin: 6/4 sm = 1,50 sm
Distanz durchs Wasser zurück: 6/8 sm = 0,75 sm
Loggedistanz hin: 1,50 sm / 1,11 = 1,35 sm
Loggedistanz zurück: 0,75 sm / 1,11 = 0,68 sm

Korrekturfaktor K = 2 / 2,03 = 0,99

Die DdW hin ist 0,50 sm weiter, die DdW zurück aber nur 0,25 sm kürzer. Das Ergebnis sagt dem Skipper, dass seine Logge fast genau geht (1 % zu schnell). Das entspricht nun wirklich nicht mehr der Realität, kann man vergessen.

Fazit

Folgende Lehre kann man daraus ziehen: Sofern man nicht absolut sicher ist, dass die Teststrecke strömungsfrei ist, muss man die erweiterte Meilenfahrt machen, denn die einfache Meilenfahrt versagt schon bei geringsten Stromgeschwindigkeiten. Und auch die erweiterte Meilenfahrt muss in der Nähe von Stillwasser durchgeführt werden, denn sie ist nur dazu geeignet, geringe Stromstärken herauszurechnen.

Und: Man führe das Manöver mit möglichst großer Geschwindigkeit aus, denn zum einen werden Änderungen der Strömungsgeschwindigkeit in der kürzeren Zeitspanne unwahrscheinlicher, zum anderen relativiert sich der Stromeinfluss, da die Stromgeschwindigkeit prozentual abnimmt. Und wer dann noch auf der Gegenstromfahrt etwas mehr Gas gibt, der befindet sich schon fast in der besten aller Welten.