Nautisches Lexikon

Exkurs: Glossar zu Astronomie und Gezeiten

Hinweise:

Apogäum Zeitpunkt der größten Entfernung des Mondes von der Erde
Aphel Zeitpunkt der größten Entfernung der Erde von der Sonne (im Juli)
Apsidenlinie Verbindungslinie des Perigäums und des Apogäums des Mondes, sozusagen die lange Achse der Mondellipse. Rotiert in der Umlaufebene (plane of orbit) des Mondes mit einer Periode von 8,85 Jahren (Lunar apsides cycle).
Äquinoktialpunkte Die beiden Punkte auf der Ekliptik, in denen sich die Sonne zur Zeit der Äquinoktien (Tagundnachtgleiche) befindet. Die beiden Punkte liegen nicht fest an bestimmten Punkten der Ekliptik, sondern verschieben sich etwas infolge der Präzession.
Deklination "Breite" eines Gestirns auf dem Gradnetz der Himmelskugel, also um wieviel Grad ein Gestirn über oder unter dem Erdäquator steht.
eintägige Gezeit siehe ganztägige Gezeit
Ekliptik Großkreis auf der Himmelskugel, auf dem die Sonne ihre Jahresbahn um die Erde zieht. Ekliptik und Himmelsäquator schneiden sich im Frühlings- und im Herbstpunkt unter einem Winkel von 23° 26' (Schiefe der Ekliptik).
Der Name kommt vom griechischen "ekleipein" (verfinstern, engl. to eclipse), da für eine Mond- oder Sonnenfinsternis erforderlich ist, daß sich der Mond in der Ebene der Ekliptik befindet.
Ekliptikalebene, Ebene der Ekliptik Die durch den Schwerpunkt der Sonne und die Bewegung des Schwerpunktes des Systems Erde-Mond beschriebene Ebene im Weltall.
Frühlingspunkt siehe Äquinoktialpunkte
ganztägige Gezeit
(eintägige Gezeit, diurnal tide)
Gezeit mit nur einem HW und einem NW pro Tag
Ursache: Die tägliche Ungleichheit durch die Deklination des Mondes wird durch lokale Effekte so extrem, daß das niedrigere HW niedriger als die beiden NW ausfällt, so daß letztere gar nicht mehr als NW wahrgenommen werden. Statt dessen scheint das niedrigere HW das NW zu sein und wird auch als solches in den Gezeitentafeln bezeichnet.
Hafenzeit
(establishment)
Arithmetisches Mittel aller Hochwasserzeiten unmittelbar nach Eintritt von Vollmond oder Neumond über mehrere Jahre. Der Eintritt des Hochwassers unmittelbar nach Vollmond oder Neumond ist für einen Ort im wesentlichen immer gleich (± 30 min.), siehe Hochwasserintervall. Hierauf beruht das britische Verfahren für die Ermittlung der Zeitunterschiede bei Spring und Nipp aus der absoluten Eintrittszeit des Hochwassers.
Herbstpunkt siehe Äquinoktialpunkte
Himmelskugel Gedankliche Hilfskonstruktion, nach der sich alle Gestirne auf einer in unbestimmter, aber großer Entfernung von der Erde befindlichen Sphäre bewegen, deren Mittelpunkt der Erdmittelpunkt ist. Sie dreht sich in 24 h einmal um die Erdkugel. Durch diese Vereinheitlichung der Gestirnabstände von der Erde wird es einfacher, die mit der Himmelskugel verknüpften Begriffe wie Himmelspole, Himmelsäquator, Himmelsmeridian zu veranschaulichen. Diese Einteilung der Himmelskugel erhält man durch die Projektion der Erdoberfläche vom Erdmittelpunkt aus auf die Himmelskugel (Himmelspol liegt über Erdpol, Himmelsäquator liegt parallel zum Erdäquator usw.).
Himmelsmeridian Großkreis auf der Himmelkugel, der durch die beiden Himmelspole geht. Wie auf der Erde gibt es unendlich viele Himmelsmeridiane. Als spezieller Begriff ist er nur mit Bezugspunkt sinnvoll, also wenn man angibt, um wessen Himmelsmeridian es geht: Für einen Beobachter auf der Erde ist sein Himmelsmeridian durch den Zenit (und den Nadir) definiert, für ein Gestirn durch seinen Ort auf der Himmelskugel.
Himmelspole Die Punkte auf der Himmelskugel, die in der Verlängerung der Achse Erdmittelpunkt - Erdpole liegen
Hochwasserintervall
(high water lunitidal interval)
Zeitdifferenz zwischen dem Meridiandurchgang des Mondes und dem nachfolgenden Hochwasser, charakteristisch für einen Ort. Das Hochwasserintervall gibt bei Voll- und Neumond direkt die Uhrzeit des Hochwassers (in wahrer Ortszeit) an. Schwankt ± 30 min. um einen Mittelwert (halbmonatliche Ungleichheit in der HW-Zeit). Zum arithmetischen Mittel aller Hochwasserintervalle siehe Hafenzeit.
Jahr Die Dauer eines Umlaufs der Erde um die Sonne. Je nachdem, auf welchen Bezugspunkt oder welche Bezugslinie man diese Stellung bezieht, ergeben sich verschiedene Jahresbegriffe, die sich aber für die nautische Praxis nur unwesentlich unterscheiden:
  • siderisches Jahr (Sternjahr): Stellung von Erde und Sonne bezüglich der Fixsterne ist wieder gleich. 365 d  6 h  9 min  10 s
  • tropisches Jahr (Sonnenjahr): Stellung von Erde und Sonne bezüglich des mittleren Frühlingspunktes ist wieder gleich. Etwa 21 min. kürzer als das siderische Jahr
  • anomalistisches Jahr: Zeitdauer zwischen zwei Durchgängen der Erde durch ihr Perihel. Etwa 5 min. länger als das siderische Jahr
  • Mondjahr: Die Dauer von 12 synodischen Monaten (ca. 355 Tage). Noch heute als Basis der jüdischen und islamischen Zeitrechnung verwendet.
Knotenlinie Verbindungslinie der beiden Schnittpunkte der Mondbahn mit der Ebene der Ekliptik. Rotiert in der Ebene der Ekliptik mit einer Periode von 18,6 Jahren. Aufgrund dieser Rotation der Knotenlinie hat der Mond innerhalb dieses Zeitraums einen Gesamtdeklinationsrahmen relativ zum Erdäquator von plus/minus 28° 35', weshalb es eine Reihe von Gezeiteneffekten mit dieser Periodizität gibt.
Konjunktion Eine Konstellation, in der - von der Erde aus gesehen - der Winkelabstand zwischen Sonne und einem Gestirn an der Himmelskugel 0° beträgt, also Sonne und Gestirn sich auf dem gleichen Himmelsmeridian befinden.
Man sagt, das Gestirn stehe oder befinde sich in Konjunktion. Beim Mond: Erde, Mond und Sonne befinden sich (ungefähr) auf einer Linie, Mond in der Mitte (Neumondkonstellation).
Lagging ("Hinterherhinken") Bezeichnet im Englischen das Zurückbleiben der Flutberge auf der Erde hinter dem Umlauf des Mondes im ersten und im dritten Viertel der Lunation, verursacht durch den Einfluß der Sonnengravitation. Sonnentide und Mondtide überlagern sich permanent zu einer gemeinsamen Tide, diese resultierende Tide schwankt jedoch in der Amplitude (Spring und Nipp) und der Phase (Lagging und Priming) relativ zum Mondumlauf.
Lunation Vollständiger Ablauf aller Lichtphasen des Mondes
Meridiandurchgang Zeitpunkt der Kreuzung der Bahn eines Gestirns mit dem Himmelsmeridian des Beobachters. Hier erreicht das Gestirn seine größte positive oder negative Höhe über dem Horizont (oberer und unterer Meridiandurchgang). Salopp gesprochen steht das Gestirn "genau über oder unter dem Beobachter", aber so trifft das nur dann zu, wenn der Breitengrad des Beobachters auf der Erde gleich der Deklination des Gestirns ist.
Metonischer Zyklus Ca. 19 tropische oder Sonnenjahre. Nach diesem Zeitraum fallen die Mondphasen wieder (ziemlich genau) auf die gleichen Kalenderdaten, weil 19 Sonnenjahre 6939,61 Tage und 235 synodische Monate 6939,69 Tage umfassen (Hinweis von Florian Bundschuh, danke!).
Mittzeit Mittzeit ist kein strenger Begriff, sondern eine pragmatische Lösung. Mit ihrer Hilfe nähert man die sinusförmige Modulation der Gezeitenhöhen durch waagerechte Abschnitte an (Springzeit und Nippzeit je vier Tage, Mittzeit zwei bis vier Tage). Innerhalb dieser Abschnitte verwendet man dann bestimmte (an sich variable) Rechengrößen als Konstante, das ist dann immer noch genau genug.
Für die Bestimmung der Mittzeit bestimmt man die angrenzende Nippzeit und Springzeit und nimmt als Mittzeit den Rest.
Monat Zeitraum, nach dem der Mond wieder dieselbe Stellung bezüglich der Erde und einem weiteren Bezugspunkt/einer Bezugslinie einnimmt. Je nach Bezugspunkt/Bezugslinie ergeben sich verschiedene Monatsbegriffe:
  • siderischer Monat: Stellung von Erde und Mond bezüglich der Fixsterne ist wieder gleich (27,32166 d)
  • synodischer Monat: Stellung von Erde und Mond bezüglich der Sonne ist wieder gleich (29,53 d)
  • drakonitischer Monat: Stellung des Mondes bezüglich der Ebene der Ekliptik ist wieder gleich (Umlaufzeit vom aufsteigenden Knoten bis zum aufsteigenden Knoten)
  • anomalistischer Monat: Zeitdauer zwischen zwei Durchgängen des Mondes durch sein Perigäum (27,55 d)
  • tropischer Monat: Stellung von Erde und Mond bezüglich des Frühlingspunktes ist wieder gleich (27,32158 d, Unterschied zum siderischen Monat verschwindend gering)
Mondbahn Nahezu kreisförmige Ellipsenbahn, deren Ebene um 5° 9' gegen die Ekliptik geneigt ist. Während eines Umlaufs dreht sich der Mond derart einmal um die eigene Achse (Gebundene Rotation), daß er der Erde immer die gleiche Seite zuwendet.
Mondtide Der Anteil der Gezeiten, der sich auf den reinen Mondeinfluß zurückführen läßt.
Nadir Der Punkt auf der Himmelskugel, der genau senkrecht unter einem auf der Erde stehenden Beobachter liegt. Nadir, Beobachter und Zenit liegen auf einer Linie.
Nippzeit 1. (neap time) Zeitpunkt der niedrigsten Amplitude der halbmonatlichen Modulation der Gezeitenkurve durch die Sonne. Muß durchaus nicht mit einem HW oder NW zusammenfallen.
2. (neaps) Viertägiger Zeitraum der zwei Tage davor und danach. Welchen Tage man dazunimmt und welche nicht, ist einer gewissen Willkür unterworfen und pragmatisch zu lösen: Es geht darum, in den Gezeitentafeln die vier Tage herauszupicken, an denen die HW am niedrigsten und die NW am höchsten sind. Man sucht eine Rechenhilfe und nicht die Wahrheit.
Opposition Eine Konstellation, in der - von der Erde aus gesehen - der Winkelabstand zwischen Sonne und einem Gestirn an der Himmelskugel 180° beträgt, also Sonne und Gestirn sich auf genau entgegengesetzten Himmelsmeridianen befinden.
Man sagt, das Gestirn stehe oder befinde sich in Opposition. Beim Mond: Erde, Mond und Sonne befinden sich (ungefähr) auf einer Linie, Erde in der Mitte (Vollmondkonstellation).
Perigäum Zeitpunkt der geringsten Entfernung des Mondes von der Erde
Perihel Zeitpunkt der geringsten Entfernung der Erde von der Sonne (im Januar)
Priming ("Zuvorkommen") Bezeichnet im Englischen das Vorauseilen der Flutberge auf der Erde vor dem Umlauf des Mondes im zweiten und im letzten Viertel der Lunation, verursacht durch den Einfluß der Sonnengravitation. Sonnentide und Mondtide überlagern sich permanent zu einer gemeinsamen Tide, diese resultierende Tide schwankt jedoch in der Amplitude (Spring und Nipp) und der Phase (Lagging und Priming) relativ zum Mondumlauf.
Saros-Zyklus 18,03 Jahre. Nach diesem Zeitraum liegen die Zentren von Erde, Sonne und Mond wieder auf einer Linie (maßgeblich für Verdunkelungen).
Sonnentide Der Anteil der Gezeiten, der sich auf den reinen Sonneneinfluß zurückführen läßt.
Springverspätung
(age of the tide, retard)
Zeitversatz zwischen Neu- bzw. Vollmond und Springzeit (als astronomische Zeitpunkte betrachtet), verursacht durch die elastische, nicht starre Kopplung der Weltmeere an die Gestirne (über die Gravitation) und die Trägheit der Wassermassen.
Die Springverspätung ist charakteristisch und konstant für einen Ort (Deutsche Bucht etwa drei Tage).
Springzeit 1. (spring time) Zeitpunkt der höchsten Amplitude der halbmonatlichen Modulation der Gezeitenkurve durch die Sonne. Muß durchaus nicht mit einem HW oder NW zusammenfallen.
2. (springs) Viertägiger Zeitraum der zwei Tage davor und danach. Welchen Tage man dazunimmt und welche nicht, ist einer gewissen Willkür unterworfen und pragmatisch zu lösen: Es geht darum, in den Gezeitentafeln die vier Tage herauszupicken, an denen die HW am höchsten und die NW am niedrigsten sind. Man sucht eine Rechenhilfe und nicht die Wahrheit.
Syzygien Die Zeitpunkte von Konjunktion (Neumond) oder Opposition (Vollmond) von Sonne und Mond. Mittlerer Abstand zweier Syzygien 14,76 Tage, kann um etwa plus/minus einen Tag schwanken. Hieraus folgt die Schwankung der im Mittel dreitägigen Mittzeit um plus/minus einen Tag, also kann die Mittzeit zwischen 2 und 4 Tagen dauern.
Tag- und Nachtgleiche
(equinox)
Der Zeitpunkt, an dem die Sonne auf ihrer scheinbaren Bahn den Himmelsäquator schneidet. Für alle Orte auf der Erde sind dann Tag und Nacht gleich lang.
Ungleichheiten
(inequalities)
Alle astronomisch bedingten (und damit periodischen) Abweichungen der eintretenden HW- und NW-Höhen und -Zeiten von ihren langjährigen Mittelwerten (Wind- und Wettereinflüsse gehören also nicht dazu). Je nach ihrer ungefähren Periodizität nennt man sie z. B. tägliche, halbmonatliche, monatliche, jährliche Ungleichheit. In der Regel liegen gleichzeitig Ungleichheiten in der Höhe und der Zeit vor, wobei die Ungleichheiten in der Höhe meist augenfälliger sind.
Klassische Beispiele: Tägliche Ungleichheit in der Höhe (die beiden HWH und NWH eines Tages sind nicht gleich), halbmonatliche Ungleichheit in der Höhe (Spring und Nipp) und der Zeit (Priming und Lagging).
Winter und Sommersonnenwende
(winter and summer solstice)
Der Zeitpunkt, an dem die Sonne auf ihrer scheinbaren Bahn die größte bzw. kleinste Deklination erreicht, also die größte nördliche bzw. südliche Abweichung vom Himmelsäquator. Beschert Nord- und Südhalbkugel der Erde den jeweils längsten bzw. kürzesten Tag des Jahres.
Zenit Der Punkt auf der Himmelskugel, der genau senkrecht über einem auf der Erde stehenden Beobachter liegt. Nadir, Beobachter und Zenit liegen auf einer Linie.