Nautisches Lexikon - Wege-Begriffe
ier sind
Wege-Begriffe versammelt, bei deren Abgrenzung immer wieder Schwierigkeiten auftreten. In
der Praxis sind sie auch weniger wichtig als in den diversen Prüfungen, trotzdem ist es
schön, wenn man sie einmal gegenübergestellt bekommt. |
Aufpassen muß man insbesondere beim Begriff des Fahrwassers, der sowohl in den KVR
(hier stets als "Enges Fahrwasser", engl. narrow channel) als auch in der
SeeSchStrO auftaucht, sich aber wesentlich unterscheidet.
ichtiger
Begriff aus den KVR (Regel 9). Ein Enges Fahrwasser ist ein Gebiet, wo (großen)
Fahrzeugen eine größere Sicherheit gegeben werden soll, da die natürlichen Umstände
(Wassertiefe, Breite) die freie Benutzung der Wasserfläche einschränken. Es ist
allerdings keine Zone mit generellen Vorrechten für alle Längsfahrer (und unterscheidet
sich damit ganz erheblich vom deutschen Fahrwasserbegriff).
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Der Begriff des Engen Fahrwassers ist insofern schwierig, da die KVR nichts zum
Begriffe selbst sagen, sondern nur, was man da darf und was nicht. Daher muß man die
Gesetzeskommentare bemühen, da auch die Lehrbücher sich häufig um diesen Begriff
"herummogeln" (unschlagbar der Kommentar einer englischen Yachtausgabe der KVR:
"A narrow channel is not defined, for the very good reason that the term is a
relative one.").
Das Bundesoberseeamt sagt in einem Spruch: "Enge Fahrwasser sind solche, in denen
die Schiffsführung in der freien Wahl des Weges aufgrund der natürlichen Begrenzung
eingeschränkt ist, wenn also einem bestimmten Fahrzeug die Möglichkeit genommen ist,
ohne Probleme ein Manöver nach Steuerbord oder nach Backbord zu fahren." Das
bedeutet also, daß bereits ein zwei Seemeilen breites Fahrwasser als eng anzusehen sein
kann, nicht jedoch ein vier Seemeilen breites. Was für ein Kreuzfahrtschiff eng ist, kann
für eine Yacht noch der freie Seeraum sein. Genauso kann für ein mit dem Gezeitenstrom
laufendes Schiff ein Fahrwasser eng sein, das für das gleiche Schiff bei Gegenstrom
unproblematisch ist. Generell läßt sich sagen: Alles, was lateral, also
rot/grün betonnt ist, ist ein Enges Fahrwasser für die in diesem Fahrwasser
üblicherweise anzutreffenden Schiffe, denn sonst müßte man es nicht betonnen. Die nur
mit Mitte-Fahrwasser-Tonnen betonnten Schiffahrtswege z. B.
in der Ostsee zählen normalerweise nicht dazu.
Ihr seht also: Man kommt ums Interpretieren nicht herum. Aber wenn man bedenkt, wie
unbeweglich Großschiffe sein können, kommt man sehr schnell zu Engen Fahrwassern.
Analogie: Im Straßenverkehr sind alle Straßen als "Enge
Fahrwasser" anzusehen (mit Rechtsfahrgebot), das freie Querfeldein-Fahren ist eine
seltene Ausnahme. In der Seefahrt ist es eher die Regel.
Folgende besondere Regeln gelten in Engen Fahrwassern:
- Rechtsfahrgebot für alle Längsfahrer (auf der
Steuerbordseite des Schiffes halten). Ein Schiff ist Längsfahrer
(folgt also dem dem Verlauf des Engen Fahrwassers), falls es mit seinem Kurs nicht um mehr
als 10° von der Fahrwasserachse abweicht. So steht es zwar nicht in den
KVR, aber so ist es wohl gängige Spruchpraxis der Seeämter (vgl. Vorfahrt).
- Nichtbehinderungsgebot I: Fahrzeuge, die auf das Enge Fahrwasser angewiesen
sind, dürfen nicht behindert werden durch Schiffe kleiner als 20 m und durch
Segelfahrzeuge (egal wie groß, also auch nicht durch die Gorch Fock!)
- Nichtbehinderungsgebot II: Fahrzeuge, die auf das Enge Fahrwasser
angewiesen sind, dürfen nicht behindert werden durch alle querenden
Schiffe (unabhängig von deren Größe oder Antriebsart).
- Nichtbehinderungsgebot III: Fahrzeuge, die im Engen Fahrwasser fahren
(nicht nur Längsfahrer, auch alle anderen), dürfen nicht behindert werden durch
fischende Fahrzeuge. Hier kommen also auch die Segler mal zu einem Vorteil ...
- Gebot zu besonderer Vorsicht beim Überholen und Begegnen an Engstellen
- Gebot zum Geben der entsprechenden Schallsignale bei heiklen Überholsituationen.
Überholer und Überholter sollen sich also miteinander abstimmen und nicht einfach
drauflosfahren.
- Ankerverbot im Engen Fahrwasser (außer in Notfällen)
chwammiger
Begriff ohne Rechtsfolgen. Schiffahrtswege sind alle empfohlenen oder faktisch benutzten
Routen auf dem Meer. Dazu gehören z. B. die mit Mitte-Fahrwasser-Tonnen ausgetonnten Wege
in der Ostsee (Kiel-Ostsee-Weg, Kiel-Fehmarnsund-Weg, Weg H, Weg T etc.). Kein Schiff ist
gezwungen, diese Wege zu benutzen, kein Schiff, das diesen Wegen folgt, genießt
irgendwelche Sonderrechte. Die Mitte-Fahrwasser-Tonnen markieren nur unverbindliche
Leitlinien und lassen einem ansonsten freie Wahl. |
Achtung: Der Übergang zum Engen Fahrwasser ist gleitend.
Schnell wird ein Schiffahrtsweg durch äußere Begrenzungen (z. B. Großer Belt) oder
Verringerung der Wassertiefe zum Engen Fahrwasser nach KVR.
her
gesetzesformaler Begriff, den man sich nicht unbedingt merken muß.
Seeschiffahrtstraße
ist überall dort, wo die Seeschiffahrtstraßenordnung (SeeSchStrO) gilt, und umgekehrt.
Etwas irreführend ist der Begriff insofern, als der Begriff "Straße" so etwas
wie Fahrwasser oder Markierung suggeriert. Seeschiffahrtstraßen sind aber in der Regel
gar nicht markiert, sondern umfassen: |
- Die gesamte deutsche Dreimeilenzone (außer dem Sonderfall Emsmündung)
- Zusätzlich in der Zone zwischen drei und zwölf Meilen die lateral (rot/grün)
betonnten Fahrwasser (hier wollte man für Klarheit im gesamten betonnten Fahrwasser
sorgen. Der Teil zwischen Null und drei Meilen von betonnten Fahrwassern ist bereits nach
Punkt 1 Seeschiffahrtstraße)
- Zusätzlich die Mündungsgebiete der deutschen Flüsse und Kanäle von der Seegrenze
binnenwärts. Die SeeSchStrO zählt sorgfältig für jeden Fluß und jeden Kanal auf, bis
wohin genau das binnenwärts gilt, was z. B. bei der Elbe bis hinter Hamburg reicht.
ußerordentlich
wichtiger Begriff der KVR (Regel 10). Ein Verkehrstrennungsgebiet (VTG, engl. Traffic
Separation Scheme, TSS) besteht aus zwei Einbahnwegen
("Fahrspuren") und der mehr oder weniger breiten Trennzone
("Mittelstreifen") zwischen ihnen. In der Regel ist die Trennzone betonnt,
häufig auch die äußere Begrenzung der Einbahnwege, damit man das VTG erkennen kann. Der
Bereich zwischen einem VTG und der nahen Küste wird Küstenverkehrszone
genannt ("Bürgersteig" und "Radweg", siehe unten). |
VTG werden auch "Autobahnen der See" genannt. Sinn ist allerdings nicht
primär die Beschleunigung des Schiffsverkehrs, sondern die Verringerung der
Kollisionen durch Vermeidung von Begegnungen und Angleichung von
Geschwindigkeiten. Dazu bündeln VTG den
(Großschiff-)Verkehr und führen ihn in separierten Einbahnwegen, in denen jeweils alle
Schiffe in die gleiche Richtung fahren. Und wenn Schiffe in die gleiche Richtung fahren,
ist die Kollisionsgefahr eben deutlich verringert. VTG dominieren weite Bereiche der
Küstengewässer insbesondere in der Nordsee und im Englischen Kanal, sie sind aber
eigentlich überall dort zu finden, wo viele Schiffe auf wenig Wasserfläche fahren. Dies sind
oft Engstellen (Straße von Dover) oder Kaps, wo alle Schiffe um die gleiche Ecke fahren
(Bretagne, SW-Ecke von England). VTG werden von der Internationalen Maritimen Organisation
IMO festgelegt.
Manche VTG sind kaum eine halbe Seemeile lang, und man fragt sich dann, was das
eigentlich soll. Jedoch müssen Schiffe, die das VTG nicht benutzen, einen deutlichen
Abstand von ihnen halten. Die Großschiffahrt ist also mehr oder weniger gezwungen, an
dieser Stelle das VTG zu benutzen, wenn sie nicht einen großen Umweg fahren will. Damit
ist auch durch ein kurzes VTG (eher "Tor" als "Straße") der
angestrebte Bündelungseffekt bereits erreicht.
Folgende besondere Regeln gelten in Verkehrstrennungsgebieten:
- Alle Längsfahrer müssen natürlich den richtigen Einbahnweg benutzen,
sich dabei von der Trennzone freihalten und sollen in den Einbahnweg nur am
Beginn einfahren oder ihn am Ende verlassen. Ein Einfahren oder Verlassen mittendrin muß
unter einem möglichst flachen Winkel erfolgen. Es gibt allerdings kein
Rechtsfahrgebot für die Längsfahrer innerhalb ihres
Einbahnweges.
- Queren eines VTG soll vermieden werden. Ein unvermeidliches Queren darf
nur mit einem rechtweisenden Kurs senkrecht zum Einbahnweg erfolgen
(siehe Anmerkung unten).
- Die Großschiffahrt soll die Küstenverkehrszone nicht nutzen, sie ist
Schiffen unter 20 m und Segelschiffen vorbehalten, die man damit möglichst aus dem VTG
heraushalten will. Diese Schiffe dürfen zwar das VTG benutzen. Sie dürfen dann jedoch
nicht die sichere Durchfahrt eines Motorschiffes behindern, das dem Einbahnweg folgt
(siehe Nichtbehinderungsgebot).
- Längsfahrer, die dem Einbahnweg folgen, dürfen nicht behindert werden durch fischende
Fahrzeuge.
- Freihalten von der Trennzone, außer beim Fischen oder in Notfällen.
- Besondere Vorsicht beim Navigieren nahe des Beginns/Endes eines VTG.
- Deutlicher Abstand vom VTG bei Nichtbenutzung.
- Ankerverbot im VTG (außer in Notfällen)
- Schiffe, die mit "Wartungsarbeiten" am VTG oder mit Kabellegung beschäftigt
sind, sind von diesen Regeln befreit, soweit das für ihre Arbeit
notwendig ist.
Keine besondere Regel gibt es für das Ausweichen:
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Volle Geltung der Ausweichregeln der KVR, mit
Berücksichtigung der genannten Nichtbehinderungsgebote. Das bedeutet also beispielsweise:
Ein Motorschiff, das dem Einbahnweg folgt, ist gegenüber einem querenden Motorschiff an
seiner Steuerbordseite ausweichpflichtig!!! Ganz regulär ist hier das
querende Schiff Kurshalter und bleibt dies auch. Ein VTG ist keine
Vorfahrtstraße, sondern legt lediglich bestimmte Fahranweisungen für den
"Normalfall" fest.
Anmerkung: Es gibt zwei Gründe, warum das Queren so erfolgen soll, daß der rechtweisende
Kurs senkrecht zum Einbahnweg liegt und nicht der Kurs über Grund:
- Wenn der Schiffsrumpf senkrecht zur Achse des VTG steht, ist die Absicht des Querens offensichtlicher,
da dem Längsverkehr die größte Schiffssilhouette gezeigt wird (bei Radarbeobachtung
gilt allerdings, daß auf dem Radarschirm ein senkrechter Kurs über Grund
offensichtlicher wäre).
- Es ist die schnellste Art und Weise, das VTG zu queren. Jedes Vorhalten
kostet Zeit.
Bei all dem Hin und Her um VTG und Großschiffahrt vergißt man manchmal als
Segelschiff-Skipper, daß man das VTG auch selbst als Längsfahrer nutzen kann,
mit den genannten Einschränkungen durch das Nichtbehinderungsgebot. Es kann
einem allerdings passieren, dass man durch die Küstenwache (die das Ganze mit
Radar überwacht) aufgefordert wird, das VTG zu verlassen, weil man als
Langsamfahrer die Idee des VTG (Harmonisierung der Verkehrsströme) natürlich
etwas konterkariert. Hier wird dann die Regel des Nichtbehinderungsgebotes durch
die Küstenwache vorsorglich eingefordert. Ein VTG ist zwar formal kein für
Segler verbotener Bereich, aber faktisch gefährlich und zudem meist unattraktiv.
Aber man kann den Spieß auch umdrehen, die Küstenwache anfunken und fragen, wo
man fahren soll, weil man einen bestimmten Ort erreichen will und auf dem Weg
dorthin die eine oder andere "Problemzone" queren muss. Die Küstenwache freut
sich in der Regel über so viel Vorausschau und wird einem gern beratend zur
Seite stehen.
ER
Begriff der SeeSchStrO schlechthin. Der Längsverkehr im Fahrwasser hat Vorfahrt, das macht die Bedeutung des
Fahrwasserbegriffes aus. Im Gegensatz zum Verkehrstrennungsgebiet ist also ein deutsches
Fahrwasser eine echte Vorfahrtstraße. |
Alles, was im deutschen Seegebiet lateral, also rot/grün betonnt ist, ist Fahrwasser.
Hier wird also jeder Zweifel, der einen beim Engen Fahrwasser
plagen kann, eliminiert, indem man den Begriff an objektiven Tatsachen festmacht.
Zusätzlich sind in den Flußmündungen und Kanälen auch die nichtbetonnten
Wasserflächen Fahrwasser, soweit sie dem Durchgangsverkehr dienen (etwas schwammig).
Die SeeSchStrO legt fest, daß alle ihre Fahrwasser auch Enge Fahrwasser nach den KVR
sind, so daß automatisch die dort geltenden Regelungen übernommen werden, falls die
SeeSchStrO nicht etwas anderes bestimmt.